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Dieses Thema hat 13 Antworten
und wurde 1.828 mal aufgerufen
 Freizeit, Sport, Hobby
Atze ( gelöscht )
Beiträge:

07.05.2010 11:03
53 Jahre Fernseherlebnisse Zitat · Antworten

Fast auf den Tag genau vor 53 Jahren kam ich das erste Mal mit der neuen Technik "Fernsehen" in Berührung.
Vor mir stand ein radioähnliches Holzgehäuse mit einer kleinen, rechteckigen, milchigen Glasscheibe, dessen Ecken sehr großzügig abgerundet ist. Unter der Bildröhre befanden sich vier großvolumige Bedienungsknöpfe, hinter deren Funktionen ich niemals gekommen bin, da ich nie das Glück hatte, dieses Gerät jemals bedienen zu dürfen. Ich gehörte "nur" zum erlauchten Kreis der Zuschauer unseres Nachbarn, für die er sein Wohnzimmer mit einigen Stühlen zum allabendlichen Heimkino umgestaltete.
Bewegtes Leben auf einem Bildschirm mit einer ungefähren Größe einer DIN A 5 - Seite, (Bildformat 180 x 135 mm, oder eine Diagonale von 9 Zoll), je nach Wetter und Luftdruck mit mehr oder weniger "Schnee" oder "Grieß" auf dem Bildschirm. (Bild 1)




Bild 1. „Rembrand FE 852 D“ Baujahr 1952 vom VEB Sachsenwerk Radeberg

Dieses Gerät war der erste für die DDR entwickelte Fernsehempfänger mit einem Gewicht von 40 Kg und ca. 24 extra für die Fernsehtechnik entwickelte Oktalröhren.
Was weniger bekannt ist und ich auch erst nach intensiven Recherchen viel später erfahren habe (1986), ist die Tatsache, daß bereits im Jahr 1950 im VEB Sachsenwerk Radeberg 29 500 Stück Fernsehgeräte vom Typ „Leningrad T2“ nach sowjetischen Unterlagen für die Sowjetunion im Rahmen der Reparationsabkommen gefertigt und ausgeliefert wurden. (Bild 2)



Bild 2. “Leningrad T2“


DAS war Zauberei, nein, DAS war Technik, die begeistert. Wenn auch oft das Bild zusammenfiel, später lernte ich den Begriff "Sychronisationsstörung" kennen, hervorgerufen durch die unvermeidliche Erwärmung des gesamten Gerätes.
Der stolze Besitzer des einzigen, weit und breit im Wohngebiet stehenden Fernsehempfängers mit dem Namen "Rembrand" bekam diesen als "Sachprämie" für eine richtungsweisende Erfindung, die seinem Betrieb sehr nützlich war. Zur damaligen Zeit durfte man für diese Spitzentechnik der volkseigenen Wirtschaft so an die 3500 Mark der DDR schon hinlegen vorausgesetzt, man bekam als vorbildlicher Werktätiger von seinem Betrieb einen der begehrten "Berechtigungsschein für den Kauf eines Fernsehgerätes der Marke ......" in einem feierlichen Meeting, verbunden mit einem feuchten Händedruck der gesellschaftlichen und staatlichen Vertreter, überreicht.
Mit diesem Schein meldete man sich dann in dem zuständigen RFT-Fachgeschäft an und hoffte, daß die Wartezeit auf dieses hochwertige und langlebige Konsumgüterprodukt nicht allzu lange wird. Drei bis acht Monate waren damals schon die Regel.
Ein einzelner Betrieb stellte damals die Geräte her. Die Technik war: Röhrentechnik, Blechchassis, fliegende, freihängende Zweckverdrahtung, wie man sie noch von der Rundfunktechnik her kannte, Tischlerarbeiten beim Holzgehäusebau, fast alle Tätigkeiten bei der Fertigung waren solide Handarbeit. Die hochproduktive Fließ- oder Bandfertigung war noch nicht erfunden und bei soviel verlegtem Draht innerhalb des Gehäuses auch nicht möglich. Daher auch die lange Wartezeit.
Zehn Jahre später hat sich in der Entwicklung der Fernsehtechnik, speziell in der Empfängertechnik, viel verändert. Das zeigt den Stand der Technik 1960. (siehe Bild 3)



Bild 3. Fernsehempfänger vom Typ "Rafena - Patriot" (VEB Rafena-Werke Radeberg) Baujahr 1960.

Dieser Typ hatte bereits die meißten Kinderkrankheiten der jungen Fernsehtechnik überwunden, die Fertigungszahlen konnten gesteigert werden, doch erreichten sie noch nicht die benötigte Menge, um die Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen. Die Wartezeiten auf ein Fernsehgerät blieben immer noch sehr lang, der Verteilerschlüssel über die Betriebe hatte sich bisher bewährt und wurde weiter ausgebaut. Nur wurden die Verteilerbedingungen erleichtert und es bestand schon die Auswahl zwischen mehreren Typen. (siehe Bild 4.)



Bild 4. Fernsehempfänger vom Typ "Favorit" Baujahr 1960 mit Standardbildröhre 42 Zoll (Diagonalmaß) aus dem VEB Rafena Radeburg.

Die Empfangsbedingungen zur damaligen Zeit waren eher schlecht, als recht, da es anfangs nur einen Fernsehsender in Berlin - Adlershof gab und wer in der Reichweite seiner Sendeantenne stand (bis ca. 90 Km Radius), konnte das Programm in einigermaßen genügenden Bildqualität empfangen.Der Fernsehturm am Alex war noch nicht aufgestellt und Umsetzeranlagen, die das (Ost)berliner Signal verstärkten und weiterleiteten waren rar. Wer direkt im Sendebereich im Berliner Umland wohnte, brauchte keine große Antenne, wir sagten damals: "Ein feuchter Schnürsenkel reicht für ein gutes Bild". So war es. Wir aber, die etwas weiter, so 90 Km entfernt wohnten, hatten da schon Schwierigkeiten mit dem Empfang. Es war die Zeit der Phantasiegebilde von antennenähnlichen Rohr-Drahtverhauen, die zwar Zugvögeln und Tauben zum Ausruhen einluden, mühsam "besorgtes" Material vergeudeten, aber niemals zu befriedigenden Fernsehbildern führte.
Wie so alles in der DDR, tat sich auch hier auf dem Antennengebiet ein "Engpaß" auf. Das Problem lag einmal am Alu-Material, zum anderen aber auch an Fertigungskapazitäten. Das Antennenwerk Blankenburg befand sich erst im Aufbau, so daß auch hier der Bevölkerungsbedarf an Antennen nicht gedeckt werden konnte.
Und hier kam eine funkende Idee aus den Reihen der ganz großen Köpfe von Partei und Regierung zum Tragen:

Um den ständig wachsenden Bedarf der Bevölkerung an hochwertigen und langlebigen Konsumgütern wirksam zu befriedigen,
("Wir müssen die Bedürfnisse unserer Hausfrauen viel besser auf den Tisch befriedigen..." (Walter Ulbricht 1960))
wurde die Idee der "1000 kleine Dinge" geboren, alle produzierende Betriebe dazu "verdonnerte", für den Bevölkerungsbedarf Produkte zu fertigen, für die sie die strukturelle Möglichkeit haben. Die Produktion der "Massenbedarfsgüter" begann, es wurden aus der laufenden Produktion Material abgezweigt, selbständige Abteilungen gebildet und munter drauflos produziert. Es enstanden nun die seltsamsten Blüten. So produzierte ein Reparaturwerk der Braunkohlenindustrie Plüschtierchen, Bügelbretter, Campinggrill, Nachttischlampen, Brattiegel und Kuchenbleche. Die Leidtragenden dieser Aktionen waren die Betriebe, in denen der Schwerpunkt der Planerfüllung immer mehr auf die Erfüllung der Konsumgüterproduktion gelegt wurde, für die eigentliche Arbeit fehlte dann meißtens das Personal und das Material.

Warum ich das schreibe? Nun, um einfach den Nichtossis die folgende Aktion verständlich zu machen.

In Anbetracht des nun erkannten Engpaßes bei der Versorgung der Bevölkerung mit Fernsehantennen, bestimmte die Bezirksleitung der SED einen Betrieb zur Entwicklung und Produktion einer qualitativ hochwertigen Antenne im Rahmen der Konsumgüterproduktion.
Zufällig war das ein Elektrobetrieb der Betriebsvereinigung VEM. Zufällig wurden pfiffige Ingenieuere für die Konstruktion einer solchen freigestellt, und zufällig war die Konstruktion einfach und universell einsetzbar gehalten.
Das erste Gebrauchsmuster wurde von vielen Betriebsangehörigen getestet und bestand seinen Empfangstest mit Bravour ! Und genau das stellten die "Fach"funktionäre der Bezirksleitung dwer Partei der Arbeiterklasse, der SED fest. Sie stellten aber noch mehr fest, nämlich die sehr gute Eignung dieser "VEM-Antenne" für den Empfang des Westberliner "Sender Freies Berlin" vom Funkturm Berlin Witzleben. Da das aber der Sender des Klassenfeindes war, wurde die Produktionserlaubnis der Antenne von der Avantgarde der Arbeiterklasse verweigert.
Die Konstruktionsunterlagen mußten vernichtet werden, das bereits angelieferte Material (u.a. Alu-Rohre mit dem Durchmesser von 8 mm, Isoliermaterial, Schrauben und Kleinmaterial) mußte zurückgeben werden und die an der Entwicklung beschäftigten Ingenieure wurden wieder in die Produktion versetzt, so daß wieder alles seine Ordnung hatte und alles nun wieder seinen sozialistischen Gang ging.
Und so war es auch. Was wäre die damalige DDR ohne ihre Werktätigen? Jedenfalls ist wenigstens ein Zeichnungssatz nicht vernichtet worden und landete in meinen Händen.
Was daraus wurde, beschreibe ich in der nächsten Folge.

Gundl Offline

Fleppenbrauser



Beiträge: 169.945

07.05.2010 13:52
#2 RE: 53 Jahre Fernseherlebnisse Zitat · Antworten

*kreisch* Was für Dinger. Das ist ja herrlich. Solche hab ich n och nie gesehen

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Atze ( gelöscht )
Beiträge:

07.05.2010 15:54
#3 RE: 53 Jahre Fernseherlebnisse Zitat · Antworten

Zitat von Gundl
*kreisch* Was für Dinger. Das ist ja herrlich. Solche hab ich n och nie gesehen



Na ganz so abwegig sind die "Dinger" gar nicht, denn in den Familienfilmen der 50/60iger Jahre sieht man ähnliche Geräte von Nordmende oder Grundig schon.
Der Stand der Technik war es eben damals und der Bereich Fernsehen war eben ganz neu und man orientierte sich anfangs noch nach der Radiofertigung. Die Ähnlichkeit von der Außenseite der Geräte zeigt es. Genaugenommen war es ein Radiogerät mit einer zusätzlichen umgebauten, bekannten Braunschen Röhre.

Gundl Offline

Fleppenbrauser



Beiträge: 169.945

07.05.2010 16:00
#4 RE: 53 Jahre Fernseherlebnisse Zitat · Antworten

Daran erinnere ich mich natürlich nicht, ich bin ja erst 1964 geboren. Aber 1970 hab ich die Fernseher mitbekommen, die sahen so aus

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EURE GUNDL

Angefügte Bilder:
kortingtransmare54660.jpg  
Bienchen Offline

Buchstabenfresser



Beiträge: 67.252

07.05.2010 16:05
#5 RE: 53 Jahre Fernseherlebnisse Zitat · Antworten

wow, super die alten Fernseher, Atze!!! Sowas sieht man ja nirgendwo mehr! Ich habe die Fernseher auch erst Ende der 60er wahrgenommen...


LIEBE GRÜSSE

Atze ( gelöscht )
Beiträge:

07.05.2010 16:29
#6 RE: 53 Jahre Fernseherlebnisse Zitat · Antworten

Ja leider ist es so, nachdem die neue Generation mit den implosionsgeschützten Bildröhren bei uns auf dem Markt kamen, die Geräteproduktion in zwei Werken erfolgte, die Leiterplatten- und Transistortechnik eingeführt wurde, es auch keine Wartezeiten mehr gab, da wurden die alten Stücke so nach und nach auf den Müll geworfen. Problemmüll? Gab es in der DDR nicht. Nur Bastler interessierten sich noch für die alten Modelle. Nur gut, daß es hierfür Sammler gab.
Zwei Stücke habe ich noch gefunden und will sie hier mal zeigen. (bisher waren das alles noch Schwarzweiß-Geräte!)



1970 wurde der erste volltransistorisierte Fernsehempfänger von der DDR-Industrie auf den Markt gebracht. Der "Color 20"; wie der Name schon sagt, ein Farbfernseher, von dem ich aber leider kein Bild besitze.

Gundl Offline

Fleppenbrauser



Beiträge: 169.945

07.05.2010 17:24
#7 RE: 53 Jahre Fernseherlebnisse Zitat · Antworten

Ja, so was ähnliches hab ich auch schon mal gesehen

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Atze ( gelöscht )
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07.05.2010 18:08
#8 RE: 53 Jahre Fernseherlebnisse Zitat · Antworten

53 Jahre Fernseherlebnisse

Teil 2

Der kurze Abriß meiner Fernseherlebnisse in Form alter Geräte zeigt uns einmal, wie rasend schnell die Technik voranschreitet und wie plötzlich die Erinnerungen an die damalige Zeit und ihren Unbilden wieder hervorbrechen.
So war es z.B. auch beim Antennenbau. Der Handel konnte die Bedürfnisse der Fernsehbegeisterten nicht befriedigen, also hieß es : Selbsthilfe. Doch wie? Professionelle Konstruktionsunterlagen waren ja vorhanden, doch woher bekommt man geeignetes Material? Alu-Rohre für die Elemente, Isoliermaterial für deren Befestigung? Ein Standrohr als Mastteil? Ein wetter- und wasserdichtes Plastgehäuse für die "T-Anpassung"?
Hier begannen die Probleme! Mein Freund, in dessen Wohnstube ein niegelnagelneues Gerät (den Typ habe ich vergessen) stand, hatte sie und ich somit auch. Ein geeigneter Platz auf das Flachdach eines Altgebäudes ward gefunden und wir sehen vor unseren geistigen Augen, die Zeichnungen vor uns ausgebreitet, die Eigenbauantenne stolz hoch in den Wind schwanken...... Hoch mußte sie sein, man "sieht" dann immer besser. Infragekommende Materialien und Halbzeuge wurde auf Brauchbarkeit abgeklopft und wieder verworfen. Verzweifelte, biergetrübte Blicke durchschweiften die Umgebung, den Hof , die Wohnung. Und da scheint der Durchbruch nahe zu sein:
Den erkannten wir vielleicht in der Gardinenstange im Wohnzimmer: Das doppelte Führungsrohr zum Verschieben der Tüllgardine könnte zur Elementeherstellung geeignet sein. Dieses 7 mm dickes, notverzinktes, zu einem Rohr gerolltes Stück Blech sollte es sein!
Nun hieß es 16 Stück "Rohr" genau auf unterschiedlicher Länge zurechtschneiden. Eine schweißtreibende Arbeit ohne Schraubstock zum Festklemmen. Aber die Aussicht auf ein einigermaßen annehmbares Fernsehbild, gab uns Flügel. Das nächste Problem näherte sich nun in Gestalt der 8 Isolierstücke für die Elemente. Damit man sich ein Bild von unserem Gebilde machen kann, hier ein Bild von einer noch wunderbar erhaltenen "Hühnerleiter" auf dem Dach eines verlassenen Uraltgebäudes einer ehemaligen Försterei.





Bild 5 Die "Hühnerleiter" wovon im Text die Rede ist (übrigens für Fachleute, es handelt sich hier um eine "4-Etagen-4-Elemente-Antenne - (also 16-Elementantenne)


Da kam dann der rettende Gedanke: Die Isolierstücke sägen wir aus Sperrholz aus und tränken sie satt mit Bootslack. Das Rohr für den Mast bekam man billig auf einen Schrottschein für 5 Mark aus dem Betrieb. Drei Meter reichten für unser Vorhaben.
Nach zwei Wochen eifriger und durstbringender Arbeit, vorwiegend auf dem Pappdach des Wohngebäudes, war unser Werk soweit gediehen, daß wir mit dem Einrichten und Abstimmen der Antenne beginnen konnten. Zu diesem Zweck wuchteten wir den 35 Kilogramm schweren Fernseher auf das Dach, um die beste Empfangsrichtung empirisch ermitteln zu können, da es ja damals für uns keine Pegelmeßgeräte zur Verfügung standen. Aber das war ja für uns der geringste Teil der Übung, gegenüber dem, was wir bereits erledigt hatten. Und dann der mit Spannung erwartete Augenblick, nachdem wir ausreichend lange gedreht, geklopft, geflucht und gerüttelt hatten:
Ein rauschendes Bild schälte sich aus dem Bildschirmgrieß:

Wir empfingen einen Sender! Und ausgerechnet den SFB. (Sender Freies Berlin) Es war der 26.Juni 1963 ! Warum ich das so genau weiß? Nun John F. Kennedy, der Präsident der USA sprach eben die berühmten Worte: "Ich bin ein Berliner..."
Dat is'n Ding. Ein Bild und noch dazu das vom Klassenfeind.........! Beim Manipulieren am Trommelkanalwähler kam das Testbild des DDR-Fernsehfunk aus Berlin - Adlershof auf den Schirm. Na da haben wir doch das Maximum erreicht! Zwei Sender empfängt zur damaligen Zeit nicht jeder. Wir schon, denn wir hatten einmal eine sehr gut konstruierte Antenne und beide Sender waren von unserem Standort aus gesehen genau in einer Richtung, d.h. die Antenne brauchte nicht gedreht zu werden. Und da beide Sender benachbarte Frequenzen benutzten, konnte die gleiche Antenne verwendet werden.
Unser Fernsehabend auf dem Dach ging bis zur Sendepause gegen 0.00 Uhr. Wir hatte auch keine volle Bierflasche mehr und so taumelten wir dann überglücklich in unsere verschiedenen Betten, um für den nächsten Arbeitstag wieder fit zu sein.

Einige Jahre später kamen dann die Hochleistungsantennen vom Typ "Langyagi" auf die Dächer, die dann auch für das Farbfernsehen optimiert wurden. Sonderformen, wie die "Langyagi-Schmetterling" wurden mit mehr oder weniger Kundengunst entwickelt. Das teretristische Analogfernsehen mit all seinen Macken und Nachteilen hatte die höchste gerätetechnische Entwicklungsstufe erreicht und ließ sich besonders in den gebirgigen Gegenden nicht verbessern. Doch dazu vielleicht später.
Hier nur mal eine zufällige Zusammenstellung aller gängigen Fernsehantennen für die verschiedensten Frequenzen in den verschiedensten Formen auf einem einzigen Dach.



Bild 6. Eine Antennenansammlung, mehr geht bald nicht mehr!


Allein schon diese Dachansicht gebietet Einhalt im Antennenwald. Der Ausweg war die Gemeinschaftsantenne auf den Wohnblöcken. Eine heikle Lösung, weil man hier nur das sehen kann, was die Gemeinschaftsanlage an die Antennendose liefert.



Bild 7. Eine alte Bekannte, leider etwas lädiert in Kombination mit einer UHF-Langyagi (immernoch das selbe Dach !!!)

Dieser kleine Vorgriff in die Zukunft sei mir gestattet, er soll nur dem besseren Verständnis dienen.

Unsere Gardinen-Sperrholz-Hühnerleiter hatte sich zumindest in dem ersten halben Jahr bewährt, bis Witterungseinflüsse unsere Blechelemente zum Rosten brachten und Nachbars Tauben begannen, die maroden Stäbe nach unten abwinkelten. Die Holzisolierstücke quollen auf, nur der Mast war noch brauchbar.
Aber dieses Elend war ja vorauszusehen, die Frage war ja nur: "Wie lange?"
Wir waren in der Zwischenzeit auch nicht untätig gewesen und suchten im Betrieb interessierte Mitkämpfer, die eine gute Antenne brauchten, auch die, welche an brauchbares Material heran kamen oder eine Maschine im Sinne einer evtl. Serienfertigung beherrschten. In den meißten sozialistischen Betrieben galt der Leitspruch: "Privat geht vor Katastrophe " und daher war es auch verständlich, daß wir nicht lange suchen mußten. Ein verhältnismäßig gutes "Westbild" war ja nicht von der Hand zu weisen und bald liefen die Vorbereitungen zu einem professionalen Westantennenbau an.

Alles Weitere im Teil 3

Atze ( gelöscht )
Beiträge:

09.05.2010 09:12
#9 RE: 53 Jahre Fernseherlebnisse Zitat · Antworten



Stimmt Gundl, dieser Gerätetyp besitzt schon eine implosionsgeschützte Bildröhre, d.h., rein äußerlich erkennbar durch die fehlende Schutzscheibe vor der Bildröhre.
Er ähnelt unserer "Ines"-Serie, nur war unserer "Ines" zur Kanalwahl mit einem durchstimmbaren Kanalwähler ausgestattet. (wie beim Radio die Senderwahl mit "drehbarem Knöpfchen"). Eine veränderte Ausführung hatte ein kleineres Gehäuse und war mit einem Trommelkanalwähler ausgestattet, doch beides brauchten man nicht, da ja nur ein Sender empfangbar war (im Erzgebirge). Das (der Ines), war auch mein erster eigener Fernseher. Erst der dritte dieses Typs (zwei vorher umgetauscht) entsprach meinen Qualitätsvorstellungen, doch das ist eine andere, lange Geschichte. Zumindest war die Rückwan immer entfernt und der Rahmen der Leiterplatten immer abgeklappt, so daß man jederzeit mit den Schraubendreher Abgleicharbeiten durchführen konnte. Der Empfang war so schwach und wetterabhängig, daß man ohne inneres "herumdrehen" nicht auskam.

Turbo Offline

Flitzpiepe



Beiträge: 171.242

09.05.2010 11:14
#10 RE: 53 Jahre Fernseherlebnisse Zitat · Antworten

Atze für die Bilder und Beiträge.

So einen Fernseher "Patriot" hatten wir auch und an dieFernsehantennen kann ich mich noch gut erinnern.



Gundl Offline

Fleppenbrauser



Beiträge: 169.945

09.05.2010 14:30
#11 RE: 53 Jahre Fernseherlebnisse Zitat · Antworten

Soweit ich mich erinnern kann war die Bildqualität immer eigentlich ok.

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EURE GUNDL

Atze ( gelöscht )
Beiträge:

09.05.2010 18:41
#12 RE: 53 Jahre Fernseherlebnisse Zitat · Antworten

Zitat von Gundl
Soweit ich mich erinnern kann war die Bildqualität immer eigentlich ok.



Die Fernsehempfänger waren im Großen und Ganzen gut, die Bildqualität schwankte je nach Empfangslage. Wer weiter weg von dem jeweiligen Sender/Umsetzer wohnte, hatte immer schlechte Karten und mußte antennenseitig mehr als nur trixen, um das bestmögliche Bild zu bekommen. Riesige Antennensysteme entstanden, ganze Antennen wurden zu Gruppen zusammengeschaltet usw.

Gundl Offline

Fleppenbrauser



Beiträge: 169.945

09.05.2010 19:02
#13 RE: 53 Jahre Fernseherlebnisse Zitat · Antworten

Das kann ich natürlich nicht sagen, weil ich ja im Westen groß geworden bin.

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EURE GUNDL

Atze ( gelöscht )
Beiträge:

10.05.2010 18:42
#14 RE: 53 Jahre Fernseherlebnisse Zitat · Antworten

Teil 3

Also hat sich unsere Eigenbauantenne bestens bewährt. Bis - ja bis auf die Unbilden des Wetters, welche unserer Antenne sehr übel mitspielte. Diese halbverzinkten Rohrähnlichen Elemente hielten nicht stand. Ein reichliches Jahr und Nachbars Tauben haben alles kaputtgetreten. Jeden morgen, lagen Teile abgetreten, abgerostet und durch den Wind heruntergegustet, alles auf den Bürgersteig. Jaaaa, wenn man diese Hochleistungstechnik in einem Zimmer, wettergeschützt und windgeschützt aufsrellen könnte...... doch solche großen Zimmer gab es damals noch nicht, ganz anders heute, wo jede kleine Putzfrau oder Kitamitarbeiterin in den deutschen Filmen riesengroße Wohnsäle ihr eigen nennen, manch ein Drehbuchautor läßt sich dann manchmal zu der Erklätung herab, wenn ein mitdenkender Mitspieler die Frage danach stellt, daß diese von den Eltern oder reichen Onkels gerbt wurde. Nun gut, aber für unsere Antenne mußte ja eine andere Lösung her:
Also die letzte Rettung war der gemeinsame Betrieb, in der wir beide als Handwerker arbeiteten. Doch in jeder Magazinecke oder Schrottplatz gähnte uns verzweifelte Materialleere an. War ja auch ein normaler Zustand, denn was gab es schon in der DDR ausreichend? Zeitungen, doch mit denen konnte man ja ohnehin nichts anfangen, deshalb wollten wir ja unbedingt eine haltbare Westantenne bauen, um auch mal über den mittlerweile entstandenen "Antifaschistischen Schutzwall" zu schauen.
Doch eines Tages kam die Rettung in Form einer Fremdfirma, die Hochspannungsanlagen für den Tagebaubetrieb errichten sollte. Hier wurden wir dann auch fündig in Form von Erdschienen aus Alu mit den Maßen 100x8 mm im Querschnitt und 2 Meter lang. Diese Abmessungen erschienen uns günstig für die Verarbeitung und den Transport in unserer betriebseigenen Werkbank. Schnell wurde eine Sägevorrichtung konstruiert und gebaut, zum Antrieb an einem Drehbankfutter gedacht, mit einem Anschlag versehen für gerade Schnitte und die ersten 8x8 mm Vollmaterialstücke waren fertig. Ablängen und anwinkeln war nun kein Problem mehr 16 Stücke wurden für eine Antenne gebraucht. Doch die nächste Materialsorge folgte auf dem Fuß: Die Isolierstücke zum Verbinden zweier Elemente brauchten wir ja auch noch. Inzwischen hat sich im Betrieb wie ein Lauffeuer herumgesprochen, daß in der Schlosserei Antennen gebaut würden. Fast jeder, der einen Fernseher hatte und auch der, welcher für einen sparte, ja auch diejenigen, die alles brauchten, was für andere sachen getauscht werden könnte, rannten uns die Bude ein. Also mußte shon Material her, welche für die Großproduktion ausreichte. Und da halfen uns unfreiwillig die Motorenbauer, die sträflicherweise eine Pertinaxplatte von einer Größe von 1X1.5 Meter so ganz offen hinter einer Werkbank liegen ließen. Noch in der gleichen Nacht zerstückelten wir diese , so daß sie nie gefunden wurde. Maschinell wurde eine für die Stäbe passende Längsnut reingehobelt und die gröbste Arbeit ward gemacht und 25 Mark verdient. Nun gab es aber auch Mitbürger, die auch noch einen Antennemast benötigten. Auf dem betrieblichen Schrottplatz konnte man ein stinknormales Wasserrohr entsprechenden Durchmesser nach Gewicht kaufen oder gegen einen gewichtsgleichen Gegenwert an Schrott tauschen. Dafür bekam man einen Schrottschein für das Rohr zum Vorzeigen beim Betriebsschutz, der dann den betriebseigenen Werktätigen mitsamt seiner Last durch die Schranken ließ.
In diesem Wasserrohr befand sich aber genau das abgemessene Antennenrohr, welches nicht gekauft werden konnte, da es sich um neues, dünnwandiges, hochfestes Siederohr handelte. Am nächsten Tag brachte man das nun entleerte Wasserrohr wieder zurück, ließ sich das beim Pförtner bescheinigen und konnte zum Feierabend dieses Rohr, wieder bestückt mit einem Siederohr mit der Bemerkung, daß Änderungsarbeiten am Rohr notwendig wurden, den Betriebsschutz ungehindert, mit den besten Wünschen, daß es diesmal besser passen möge, wieder durch die Schranken. Als aber dann ein Betriebsschutzangehöriger von unserem Antennebau erfuhr und er auch eine bekam, ersparten wir uns den Umweg mit diesem schweren Wasserrohr. Das nackte Siederohr lackierten wir mit Rostschutzfarbe, so daß es sich idurch nichts von anderen, normalen Rohren unterschied.
Bei dieser Schilderung werden nun unsere verehrten Altbundesbürger ungläubig den Kopf schütteln, und Einspruch erheben, daß es soetwas nie gebenkann, daß private Arbeiten im Betrieb erledigt werden, noch dazu mit betriebseigenem Material. Doch das gab es in allen sozialistischen Betrieben. Wer Ideen und geschickte Hände hatte, konnte sich in dieser Mangelwirtschaft selbst helfen. Das war es auch, was den Sozialismus so lustig machte. Wir bauten unserem Parteisekretär eine Westantenne zusammen und sorgten auch für den Antransport zu seinem Grundstück. Er lieh uns dafür seinen PKW-Anhänger für unseren weiteren Transport. Übrigens, auch dieser PKW-Anhänger wurde wieder in einem anderen Betriebsteil nach der gleichen Masche wie die unsere gebaut und von der Verkehrspolizei abgenommen und dokumentiert. Der Gute vom technischen Dienst der VP (Volkspolizei) bekam ein auch in unserem Betrieb gefertigten Grill samt einem 10 Kg-Sack Holzkohle, welche bei uns im Vorfeld abgesammelt wurde, da auch diese mit der Verbreitung der Grillmode zum Engpaß mutierte. Also so funktionierte der Privatsozialismus in der DDR und alle, die daran teilnahmen und auch etwas zum Gelingen des privaten Wohlbefindens oder der aktiven Tauschkultur beitragen konnte, hatten fast alles zum täglichen Gebrauch. Ob es nun Spreewaldgurken, Spargel, Spezialbier, Annanasdosen, Badfliesen, kurz alles, was es angeblich nicht gab, gab es hier in der sozialistischen "Schatten"wirtschaft.
Das dieses Verteilersystem funktionierte, lag an der Motivation aller Beteiligten. Immer im Hinterkopf habend: "Ich brauche auch mal etwas und das bekomme ich dann auch." Auch tat sich niemand schwer, mal Kollegen, Bekannte, ja auch Fremde irgendwie zu helfen ohne an eine Belohnung je zu denken. Man brauchte ja auch mal jemand, wenn die KFZ-Werkstatt auf der Urlaubsreise niemand mehr annahm und sowieso keine Ersatzteile hatte. (Wo die waren, wissen wir ja jetzt)
Auf jeden Flohmarkt sehe ich Fabrikneue Teile aus der KFZ-, Elektro- oder Haushaltstechnik auftauchen, die in der DDR vorher niemand freiwillig bekam. Es gab alles, damals, nur nicht genug und das wenige verschwand in dunkle Kanäle in der Schattenwirtschaft .
Die Geschichte des privaten Antennenbaus in meinem Betrieb steht für viele Begebenheiten in anderen Betrieben mit anderen Erzeugnissen.
Die Tatsache, daß selbst Parteisekretäre, Schulleiter, ja auch Volkspolizeiangehörige die Westsender sahen, erleichterte diese Selbst"versorgung" ungemein. Im Falle der FS-Antenne kamen uns viele Umstände zu gute, es war ja ein begehrtes "Produkt" was wir anbieten konnten. Das wiederum erklärt auch die Tatsache, daß zu 80% Westsender empfangen konnten, sie auch sahen und somit schon vor dem Mauerfall mehr über die BRD wußten, als es umgekehrt auch leider heute noch so ist.

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